Gegen das Vergessen

Ver.di-Senioren: Stadtrundgang STOLPERSTEINE in Cuxhaven

 Wenige Tage vor dem Internationalen Holocaust – Gedenktag am 27.01.2023 waren gut 20 Teilnehmer, leicht fröstelnd, an einem geführtem Rundgang zu vielen Stolpersteinen in der Cuxhavener Innenstadt beteiligt.

Vielleicht noch zutreffender als „Steine des Anstoßes“ bezeichnet, so Ralf Bohlen, ehrenamtlicher Mitarbeiter der örtlichen Arbeitsgruppe „Gegen Vergessen – Für Demokratie e.V.“.

Der über zweistündige Rundgang zum Gedenken an die Opfer des Nazi-Regimes begann zur Erinnerung an Heinrich Grube am Rathauseingang Grüner Weg. Er war aktiv in der Gewerkschaftsbewegung und SPD-Ratsherr und engagierte sich unermüdlich als Leiter des Jugend- und Wohlfahrtamtes für die Mitbürger. Nach einer zwangsweisen Beurlaubung wurde er endgültig zum 1.7.1933 aus dem Dienst der Stadt entlassen. Im KZ Neuengamme ist er dann nach mehrmaligen Verhaftungen im November 1944 verstorben; angeblich an einer Lungenentzündung.

Über die Gedenksteine des Ehepaares Weinberg in der Kirchenpauerstraße, dem Erinnerungsstein des Kinobesitzers Oskar Dankner vor dem ehemaligen „Gloria-Palast“ in der Deichstraße wurden acht weitere Stolpersteine in der Poststraße / Ecke Abendrothstraße angesteuert. Die Lebenswege der hier zu gedenkenden Familien Ehrlich und Blumenthal, besonders ihren Nöten und Ängsten um ihre mitbetroffenen Kinder, berührte jeden Einzelnen sichtlich.

Vier weitere „Steine des Anstoßes“ erinnern an die vierköpfige Familie Scharfstein in der Nordersteinstraße. Nicht nur das die in Cuxhaven angesehenen Eltern ihr alteingesessenes Bekleidungsgeschäft gezwungen wurden zu verkaufen. Auch ihre Söhne Manfred (1926) und Heinz (1928) wurden von ihren Eltern getrennt. Ihnen gelang letztendlich mit Hilfe von Verwandten 1939 die Flucht nach Palästina.

Der Stadtrundgang führte weiter in die Holstenstraße zu den Gedenksteinen von Benjamin und Anna Wallach. Ab 1941 mußte das Ehepaar den Judenstern tragen.

Sie wurden 1942 nach Theresienstadt deportiert und sind dort ermordet worden.

Bemerkenswert ist, dass die jüdischen Familien gut in die bürgerliche Gesellschaft Cuxhavens integriert waren, in vielen Vereinen aktiv und hoch angesehene Mitbürger.

Nicht weit entfernt die nächsten Stolpersteine von Wilhelm Heidsiek vor dem Pressehaus und von „Kapitän Alexander“ in der nach ihm benannten Straße.

Wilhelm Heidsiek kam 1910 nach Cuxhaven und engagierte sich in der Gewerkschaft, wo er Bekanntschaft mit Heinrich Grube und Karl Olfers, dem späteren langjährigen Oberbürgermeister und Landtagspräsidenten, machte. Heidsiek verlegte die sozialdemokratische Zeitung „Alte Liebe“, die unter Einziehung des Vermögens, einschließlich des Pressehauses und aller Druckmaschinen, am 15.3.1933 verboten wurde. Er kämpfte weiter im Untergrund gegen die Nazis und wurde nach dem Hitler-Attentat vom 20 Juli 1944 in das KZ Neuengamme verlegt, wo er im gleichen Jahr ermordet wurde.

Auch Kapitän Karl Alexander war aktiv in der Gewerkschaft und ebenso Widerständler, wurde mehrfach verhaftet, von der Gestapo 1940 in das KZ Sachsenhausen verschleppt. Hier ist er dann im Juni 1940 angeblich an einer Herdlungenentzündung verstorben.

Die Gewerkschaftssenioren machten auch einen längeren Halt vor dem Haus Atlantic. Das aus Mitteln der Verkehrsgewerkschaft, einer Vorvorgängerin der heutigen Gewerkschaft ver.di, war Herberge für wandernde Gesellen und Seeleute, die auf die nächste Gelegenheit zum Anheuern warteten.

Hier hatten die Gewerkschaften ihre regionalen Büros und es gab Veranstaltungsräume für Veranstaltungen.

Am 2. Mai 1933 wurden die Gewerkschaftsbüros von Nazischärgen besetzt und die Gestapo übernahm das Haus. In den Kellerräumen wurden Gefängniszellen eingerichtet und manches „Geständnis“ erfoltert.

Für die Gewerkschafter von heute immer noch ein gewaltiges Verbrechen und unerträglicher Gedanke, dass gerade in ihrem Haus die Gestapo wütete. Später wurde es zudem die Parteizentrale der NSdAP.

Besonders hier wurde der Auftrag aller Gewerkschaftsmitglieder, sich gegen die aufkommenden und immer stärker werdenden rechten politischen Parteien und der Politik der Verharmlosung und sogar Leugnung der Naziverbrechen zu stellen, deutlich.

In der Grossen Hardewiek liegen die Stolpersteine für die Famile Rosenthal. Hier betrieb Bernhard Rosenthal eine Schlachterei. Nach dem Tode seiner Frau zwangen ihn die Nazis, Haus und Geschäft unter Wert zu verkaufen. Auch er wurde 1942 nach Theresienstadt deportiert und dort ermordet. Zwei ihrer drei Töchter waren nach Umsiedlungen 1941 nach Minsk verschleppt worden. Ihre Todesdaten sind unbekannt. Seine Tochter Erna, verheiratete Asch, überlebte im KZ Westerbork (Niederlande) und starb hundertjährig. Ihrem Leben wurde 2021 eine große Ausstellung im Schloss Ritzbüttel gewidmet.

Abschließend, am Gedenkstein in der Südersteinstraße 42, erklärte Ralf Bohlen eindringlich: „Hier wird an die verfolgten und ermordeten Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt erinnert. Besonders aber an die Reichspogromnacht vom 9. 11.1938, dem Beginn des staatlichen Terrors mit der organisierten Vertreibung und Ermordung der Juden.

Zur Erinnerung daran lädt der Ortsvorstand der SPD gemeinsam mit der Kirchengemeinde Ritzebüttel an diesem denkwürdigen Tag in jedem Jahr zu einer Gedenkveranstaltung ein – gegen das Vergessen“!

Text: Klaus Rogge, Ralf Bohlen

Bild: Susanne Pape

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